Privatinsolvenz bei Selbständigen
Ich übe eine selbständige Tätigkeit aus und muss Privatinsolvenz anmelden. Kann der Insolvenzverwalter mich zwingen, meine Firma zu schließen?
Die nachfolgenden Hinweise gelten ausschließlich für natürliche Personen, wie Gewerbetreibende, Freiberufler und sonstige Einzelunternehmer. Für Personengesellschaften, wie z.B. eine GmbH oder AG gelten andere Bestimmungen.
1. Freigabe einer selbständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter
Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit richtet sich nach § 35 Abs. 2 und 3 InsO und trat am 01.07.2007 in Kraft. Die zusätzlichen Absätze 2 und 3 wurden deshalb eingeführt, weil selbständige Erwerbstätigkeiten trotz einer laufenden Privatinsolvenz gefördert werden sollten. Für den Schuldner ist Antrag auf Regelinsolvenz als Form der Privatinsolvenz zu stellen. Dem Insolvenzverwalter stehen lediglich 3 Optionen zur Verfügung, wie er im eröffneten Insolvenzverfahren mit der Selbständigkeit verfahren kann.
1.Option Er kann die Tätigkeit des Schuldners gemeinsam mit diesem als Betriebsfortführung organisieren
2. Option Er kann das Wirtschaften des Schuldners dulden, sollte dieses aber gleichzeitig überwachen.
3.Option Er kann die selbständige Tätigkeit freigeben.
Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit erfolgt in der Praxis so gut wie immer. Das ist dann der Fall, wenn weder eine Betriebsfortführung, noch eine selbständiges Wirtschaften unter Aufsicht angebracht sind, nämlich, wenn Überschüsse nicht zu erwarten oder keine Aussicht auf eine erfolgreiche Sanierung besteht.
⇒ Sie sehen also! Der Insolvenzverwalter darf Ihre Firma überhaupt nicht schließen.
2. Folgen der Freigabe der selbständigen Tätigkeit
Die meisten Insolvenzschuldner wissen leider nicht, welche Folgen es für sie hat, wenn der Insolvenzverwalter die Selbständigkeit freigibt und der Schuldner ohne Kontrolle von außen weiter wirtschaften darf. Leider belehren nicht alle Insolvenzverwalter die Schuldner in diesem Zusammenhang gründlich, obgleich eine Verstoß fatale Folgen haben kann. Ein solcher kann nämlich zur Versagung der Restschuldbefreiung führen.
Worauf Sie bei einer Freigabe der selbständigen Tätigkeit unbedingt achten müssen!
Wenn der Insolvenzverwalter Ihre selbständige Tätigkeit freigibt, so erhalten Sie dieses immer schriftlich. Gleichzeitig wird Ihnen mitgeteilt, dass Sie die Gläubiger durch Zahlung an den gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter so zu stellen haben, wie wenn Sie ein abhängiges Beschäftigungsverhältniss eingegangen wären. Wissen Sie, was dieser Satz bedeutet? Denken Sie vielleicht gerade, dass damit gemeint ist, dass Sie sich im Zuge Ihrer Selbständigkeit so bemühen müssen, wie ein Angesteller mit einer 40 Stunden-Woche? WEIT GEFEHLT: Der Satz bedeutet folgendes:
Sie werden als Selbständiger nach Eröffnung der Privatinsolvenz finanziell so eingestuft, wie Sie als abhängig Beschäftigter gemäß Ihres erlernten Berufes verdienen würden. Es kommt dabei nicht darauf an, welche Gewinne Ihr Unternehmen erwirtschaftet, denn die Gewinne fallen durch die Freigabeerklärung nicht in die Insolvenzmasse.
Beispiel 1: Sie haben den Beruf eines erlernten Einzelhandelskaufmanns und keine Unterhaltspflichten. In diesem Beruf würden Sie ca. 1200,00 € netto verdienen, je nachdem, in welchem Bundesland Sie arbeiten. Sie haben sich z.B. mit einer Spedition selbständig gemacht und erwirtschaften einen monatlichen Reingewinn von 2500,00 €. An den Insolvenzverwalter ist in diesem Fall das pfändbare Einkommen aus 1200,00 € netto zu zahlen, nicht etwa das pfändbare Einkommen aus 2500,00 €. Im o.g. Fall wäre ein monatlicher Betrag in Höhe von 119,78 € zu bezahlen. Der Rest des Gewinns verbleibt bei Ihnen. Würde tatsächlich der Gewinn von 2500,00 € zugrunde gelegt, müssten Sie einen monatlichen Betrag von 1029,78 € abführen. Die Beträge sind nach neuseter Rechtsprechung des BGH einmal jährlich an den Insolvenzverwalter abzuführen.
Beispiel 2: Sie sind ausgebildeter KFZ Mechaniker und haben keine Unterhaltsverpflichtung. Sie würden in einem Angestelltenverhältniss ca. 1600,00 € netto verdienen. Sie sind z.B. mit einem Onlinehandel tätig und erwirtschaften einen Reingewinn von 1000,00 €. An den Insolvenzverwalter ist in diesem Fall der pfändbare Betrag aus 1600,00 € netto zu zahlen und zwar ein monatlicher Betrag von 399,78 €. Dass Sie mit Ihrem Reingewinn von 1000,00 € theoretisch gar kein pfändbares Einkommen hätten, interessiert leider niemanden. Sie müssen den Betrag von 399,78 € monatlich zurücklegen, egal, woher das Geld kommt. Tun Sie dieses nicht, und können Sie im Zuge desse nicht nachweisen, dass Sie sich drei mal wöchentlich beworben haben, um diesen Zustand zu ändern, droht auf Antrag eines Gläubigers, die Versagung der Restschuldbefreiung.